Nestkamera Kreis Lippe - Deutschland

Der Wettlauf ums Nest - „Wer zuerst kommt legt zuerst“

Mit Ende Februar beginnt die Migration der Rotmilane, die zum Überwintern in den Süden geflogen sind, zurück in ihre Brutgebiete. Jetzt heißt es das passende Nest zu finden, wohlmöglich auch das gleiche Nest vom Vorjahr, es etwas ausbauen und mit dem passenden Partner anfangen zu brüten.

Aber was genau geschieht am Nest, wer kommt zu Besuch und vor allem, wird es eine erfolgreiche Brut? Mit Hilfe einer kleinen Kamera ist es möglich diese Fragen zum Teil zu beantworten. Und genau damit beginnt die Geschichte eines Nestes in Nordrhein-Westfalen im Kreis Lippe.

Das LIFE EUROKITE Projekt wurde von Mitarbeitern der Universität Bielefeld kontaktiert, mit dem Hintergrund, dass ein besenderter Rotmilan im Jahr 2021 in der Nähe gebrütet hat. Da Rotmilane häufig dasselbe Nest in den Folgejahren nutzen, wurde die Hoffnung geweckt, dass der besenderte Rotmilan auch im Jahr 2022 in diesem Nest wieder brüten. So wurde entschlossen eine Kamera an diesem Nest zu installieren.

Besenderung des Rotmilans

Das besenderte Rotmilanweibchen „Valencia“ wurde bereits im Jahr 2019 in Spanien in der Wildtierstation von AMUS besendert, nachdem sie mit Vergiftungserscheinungen gefunden und wieder gesund gepflegt wurde. Zusammen mit Duncan Orr-Ewing (RSPB), Richard Saunders (National Wildlife authority UK, Natural England) und dem Bürgermeister Manuel Naharro von Valencia del Mombuey wurde Valencia am 29. November 2019 wieder freigelassen. Ursprünglich kommt Valencia wohl aus Deutschland, denn schon bald startete Sie die Rückreise ins Brutgebiet im Kreis Lippe, wo sie die Brutzeit verbrachte. Den Winter verbrachte Valencia wieder im Süden Spaniens.


Besenderung und Freilassung von Valencia im November 2019 in Spanien (Extremadura) © AMUS

Die Nestkamera

Die untere Naturschutzbehörde und die Lippischen Rotmilanfreunde haben am 11.02.2022 eine Funkwildkamera der Firma Seissiger an dem im letzten Jahr besetzten Rotmilanhorst angebracht. Hierdurch erhoffen sich alle Beteiligte, mehr über das besenderte Weibchen und dessen Partner zu erfahren.


Installation der Funkwildkamera der Firma Seissiger am Rotmilanhorst © Kreis Lippe

Und somit begann der Wettlauf um das Nest

Nester vom Vorjahr sind nicht nur bei Rotmilanen beliebt, sondern werden oftmals auch von anderen Arten genutzt, ganz nach dem Motto „wer zuerst kommt, malt zuerst bzw. legt zuerst“. Wir waren also gespannt, wann sich Valencia wohl zurück in die Heimat macht und ob sie rechtzeitig am Nest ankommt, oder sich für einen anderen Brutplatz entscheiden wird? Zum Zeitpunkt der Kamerainstallation gab es noch keine Anzeichen, dass sich Valencia auf den Weg in das Brutgebiet machte.

Am 12.02. wurde schon der erste Besucher am Nest entdeckt. Es war eine Kohlmeise, die das Nest kurz begutachtete, sich aber wohl, aufgrund der Größe und den zu hohen Mietkosten, entschloss woanders zu brüten. Am Folgetag dann ein echter Nestkonkurrent. Eine Nilgans begutachtet das Nest und scheint nicht abgeneigt zu sein. Jetzt muss sich Valencia beeilen, doch noch immer keine Anzeichen eines Migrationsstartes. So ganz kann man es ihr ja nicht verübeln, wer würde nicht gern im Süden den Winter verbringen?!


Eine Kohlmeise am Rotmilanhost am 12.02.2022. © Kreis Lippe  Eine Nilgans begutachtet das Nest am 13.02.2022. © Kreis Lippe

Dann ein Hoffnungsschimmer

Am 15.02. wurde das Nest von einem Rotmilan besucht. Wahrscheinlich ein Männchen, welches sehnsüchtig auf die Rückkehr von Valencia wartete? Aber wo ist Valencia? Valencia genießt weiterhin das spanische Klima und hat sich noch nicht auf den Weg zurück nach Deutschland gemacht.

Nach dem Wochenende die Überraschung. Valencia hat die Migration begonnen. Am 17.2. ist Valencia in Richtung Nordosten gestartet. Aber vielleicht zu spät? Denn am 18.2. hat sich die Nilgans dann entschieden das Nest zu besetzten und sogar schon ein Ei gelegt. Der Rotmilan, der einige Tage zuvor am Nest gesichtet wurde, hat sich auch nicht mehr blicken lassen. Wer möchte sich auch mit einer brütenden Nilgans anlegen? Zwar ist die Hoffnung auf Bilder von einem brütenden Rotmilan erloschen, aber wie häufig sieht man schon eine brütende Nilgans?


Besuch eines Rotmilans am Nest am 15.02.2022. © Kreis Lippe   Brütende Nilgans im Nest mit einem Ei am 18.02.2022. © Kreis Lippe

Lauf der Natur

Prädation von jungen Vögeln im Nest bei Rotmilanen, zählt zu einen der häufigsten natürlichen Mortalitätsursachen. Auch Nestraub kommt vor, nicht nur bei Rotmilanen.

Am 22.02. wurde die Nestkamera wieder ausgelöst. Zu sehen ist ein Marder, der sich das Ei der Nilgans als Mitternachtssnack geholt hat. Selbst Nester hoch in den Bäumen sind nicht vor Räubern geschützt. Die arme Nilgans…was passiert jetzt mit dem Nest? Wird sie erneut in diesem Nest brüten?

Seit einigen Tagen ist es still am Nest, weder die Nilgans noch eine andere Art wurde von der Kamera aufgenommen. Vielleicht wird das Nest sogar in diesem Jahr frei bleiben?


Am 22.02. wurde das Ei der Nilgans von einem Marder geholt und gefressen. © Kreis Lippe

Erneuter Hoffnungsschimmer

Am 24.02. hat Valencia die Grenze von Spanien zu Frankreich im Norden überquert. Die Luftlinie betrag mittlerweile schon über 700 km, doch ist die Hälfte der Strecke, falls Valencia sich entscheidet in Richtung Kreis Lippe zu fliegen noch nicht geschafft.

Am 25.02. dann wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer. Das Rotmilan-Männchen wurde mehrmals von der Kamera aufgenommen. Innerhalb von 3 Stunden konnte der Rotmilan 6mal am Horst fotografiert werden. Wer weiß vielleicht etabliert er sich jetzt und bereitet schonmal alles für die Ankunft von Valencia vor?


Erneuter Besuch des Rotmilans am Nest am 25.02.2022. © Kreis Lippe

Am nächsten Tag war es jedoch sehr ruhig am Nest. Valencia befindet sich mittlerweile in Frankreich und fliegt weiterhin Richtung Deutschland.

Dann am 26.02. wurde die Kamera wieder von dem Rotmilan-Männchen und einer Begleitung ausgelöst. Bei beiden handelte es sich um nicht besenderte Individuen. Valencia ist zu diesem Zeitpunkt noch mehr als 1.000 km entfernt in Südfrankreich.

In den kommenden Tagen war es wieder sehr ruhig am Nest, die beiden gesichteten Rotmilane haben sich nicht wieder am Nest gezeigt. Es bleibt also noch eine Chance für Valencia.


Rotmilane am Nest am 26.02.2022. © Kreis Lippe

Schlechte Nachrichten

Am 07.03. dann ein Schock. Der Sender von Valencia hat die letzten 3 Tage nicht mehr gesendet. Ist ihr etwas passiert? Oder hat der Sender einfach momentan kein GPS-Signal? Schnell werden die letzten Daten kontrolliert und ausgewertet. Alles schien bis zum letzten Sendepunkt normal gewesen zu sein. Keine Anzeichen von zu niedrigem Akku-Level, aber auch kein Anzeichen von einer möglichen Todesursache. Also bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen, dass der Sender bald wieder Daten überträgt.

Geschafft!

Am nächsten Morgen dann eine große Erleichterung und zugleich eine große Freude. Der Sender hat wieder Daten übertragen und zeigt den letzten Punkt in der Nähe des Nestes an. Zugleich wird die Kamera am Nest ausgelöst. Und tatsächlich Valencia hat es geschafft und wurde sitzend am Nest von der Kamera fotografiert. Jetzt fehlt nur noch ihr Partner. Wir sind schon gespannt was in den nächsten Tagen am Nest passiert und hoffen, dass die Batterie der Kamera noch länger durchhält, um Valencia weiter aus der Ferne beobachten zu können.

In den Folgetagen hielt Valencia sich immer wieder am Nest auf und baute dieses weiter aus. Am 14.03. konnte Valencia dann mit Ihrem Partner am Nest fotografiert werden. Beide scheinen fleißig das Nest auszubauen.

Wir sind schon gespannt, was in den nächsten Tagen passieren wird und wann Valencia mit dem Brüten beginnt.


Ankunft von Valencia am 08.02.2022 am Nest im Kreis Lippe. In den Folgetagen wurde fleißig am Nest gearbeitet. © Kreis Lippe


Valencia und ihr Partner konnten am 14.03.2022 zusammen am Nest fotografiert werden. © Kreis Lippe


Schutz vor Räubern

Da am Nest nicht nur Marder gesichtet wurden (man erinnere sich an die Nilgans, die durch einen Marder ihr Ei verlor), sondern auch Waschbären in der Nähe des Nestes gemeldet wurden, entschied sich die untere Naturschutzbehörde für den Einsatz von Baummanschetten, um das Nest zu schützen. Diese Baummanschetten haben eine glatte Oberfläche, welches verhindert, dass Räuber, wie z. B. Marder und Waschbär, den Stamm nicht hochklettern können.

Jedoch gehören nicht nur Marder und Waschbär zu den natürlichen Feinden, sondern auch z.B. der Uhu, welcher durch die Baummanschette natürlich nicht abgehalten wird, das Nest zu besuchen. Glücklicherweise ist nichts weiter passiert. Hoffentlich war es ein einmaliger Besuch!


Links: Baummanschetten am Stamm von Horstbäumen, um diese vor Räubern zu schützen. Rechts: Auch Uhus gehören zu den natürlichen Feinden der Rotmilane. Glücklicherweise ist bei diesem nächtlichen Besuch nichts weiter passiert als ein kleiner Schock. © Kreis Lippe

Die Brutzeit

Valencia und ihr Partner scheinen sich sehr wohlzufühlen und es gibt immer mehr Hoffnung, dass es tatsächlich eine erfolgreiche Brut wird. Abwechselnd sind die beiden am Nest und lasse sich vom späten Wintereinfall nicht abhalten weiterhin beim Nest zu bleiben.


Nach dem Wintereinbruch Anfang April steigen die Temperaturen langsam wieder und Valencia und ihr Partner wechseln sich regelmäßig am Nest ab. © Kreis Lippe


Dieser Blick in das Nest der beiden Rotmilane lässt erahnen und hoffen, dass es vielleicht bald Nachwuchs gibt. © Kreis Lippe

 

Nachwuchs!

Wir freuen uns riesig! Am 08.05. konnte durch die Kamera dar erste eindeutig Bild von einem jungen Rotmilan gemacht werden.  Auf dem Foto ist ein kleiner weißer Kopf zusehen, der so gerade über den Nestrand ragt. Bleibt abzuwarten, ob es noch Gewisterchen bekommt. In den nächsten Wochen bleibt es also weiterhin sehr spannend und wir hoffen natürlich, dass wir dem kleinen Rotmilan beim Wachsen zuschauen können.


Am 08.05. konnte durch die Kamera ein Foto eines jungen Rotmilans im Nest gemacht werden. © Kreis Lippe

Besenderung der jungen Rotmilane von Valencia

Am 14.06.2022 gelang es dem Besenderungsteam des LIFE EUROKITE Projektes und den lokalen Partnern vor Ort (Untere Naturschutzbehörde Kreis Lippe & Universität Bielefeld) die zwei jungen Rotmilane von Rotmilanweibchen Valencia zu besendern. Beide Jungvögel sind in einem sehr guten Zustand und bereits kurz nach der Besenderung wieder mit Valencia im Nest vereint. In den darauffolgenden Tagen, machten die jungen Rotmilane ihre ersten kleinen Ausflüge und kamen immer wieder zurück ins Nest.



Besenderung der Jungvögel von Valencia zusammen mit dem LIFE EUROKITE Team, der Universität Bielefeld und der Unteren Naturschutzbehörde Kreis Lippe. Bereits kurz nach der Besenderung waren alle wieder im Nest vereint. © Kreis Lippe

Neues Jahr neuer Bruterfolg?

Nachdem Valencia und auch ihr Nachwuchs den Winter wieder in Spanien verbracht haben, ist es vor allem für Valencia an der Zeit wieder zurück in das Brutgebiet zu fliegen, denn am 24.02.2023 konnte schon der erste Rotmilan (vermutlich das Männchen) am Nest fotografiert werden. Zu dieser Zeit befand sich Valencia noch in Spanien, scheinbar hatte Sie aber schon die ersten Kilometer ihrer Zugroute hinter sich gebracht. Somit ging das Hoffen los, dass Valencia den Zug zurück ins Brutgebiet gesund übersteht und sich wieder für das gleiche Nest entscheidet. Die Tage vergingen und täglich wurden Valencias gesendete Daten überprüft. Am 28.02.2023 überquerte Valencia die Grenze nach Frankreich und am 09.03 überflog Valencia die Grenze nach Deutschland. Am 10.03 dann die große Freude. Valencia hat es bis zum Nest geschafft und konnte von der Kamera fotografiert werden.


Links das vermutete Männchen und rechts Valencia am Nest. © Kreis Lippe